Berlin macht sich bereit für den Eichenprozessionsspinner
Berlins Straßen und Parks sind voll mit Eichen – dem bevorzugtem Lebensraum des Eichenprozessionsspinners (Thaumetopoea processionea). Seit 2004 sucht der Falter Berlin und Brandenburg immer wieder verstärkt heim. Die Härchen seiner Raupen sind mit einem Nervengift versehen, das bei Mensch und Tier allergische Reaktionen hervorruft. Aber auch der Wirtsbaum, auf dem die Raupe des Falters sich bevorzugt niederlässt, um dort seine Nester zu bauen, ist bei einem übermäßigen Befall in Gefahr. Ihnen droht der Kahlfraß!
Vermehrter Befall gefährdet den Baumbestand
Der Eichenprozessionsspinner bevorzugt warm-trockenes Klima und breitet sich aufgrund der Klimaveränderungen immer stärker in Deutschland aus. Insbesondere Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Bayern sind betroffen. Der milde Winter kommt dem Schädling entgegen, sodass für dieses Jahr mit einer noch größeren Verbreitung als bisher zu rechnen ist. Er bevorzugt sonnige Plätze auf frei stehenden Einzelbäumen, Bestandsränder oder lichte Eichenwälder zur Ablage seiner Eier.
Der unscheinbaren Nachtfalter ist zwischen 25 und 32 cm groß. Die Weibchen legen im Hochsommer große Mengen von bis zu 200 Eiern. Diese platzieren sie innerhalb weniger Tage in den Baumkronen der Eichen, überwiegend an der Südseite junger Äste. Dabei bevorzugen sie besonders Stiel- oder Traubeneichen, aber auch die amerikanische Roteiche. Die Jungraupen überwintern im Ei und halten Temperaturen von bis zu minus 29 Grad stand.
Ausbreitung im Stadtgebiet Berlin
Die Raupen breiten sich seit 2004 im Berliner Stadtgebiet von West nach Ost immer weiter aus. Seit 2012 sind alle Stadtbezirke in unterschiedlichem Maße von den gefräßigen Raupen, ihren Nestern und den Faltern betroffen. Sie breiten sich über Eichen bestandene Straßen und Grünanlagen vom Stadtrand immer weiter ins Stadtzentrum aus. Wärme und Trockenheit der Stadt bieten ihnen dabei die perfekten Lebensbedingungen.
Die Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz hat 2010 damit begonnen, Pheromonfallen im Stadtgebiet aufzustellen, um die Verbreitung des Eichenprozessionsspinners zu dokumentieren. Im Vergleich zu den Vorjahren verzeichneten sie 2019 einen leichter Rückgang der Ausbreitung.
Durchschnittlich gingen 2019 im Berliner Stadtgebiet etwa 35 Falter in die Falle. In Schloß Charlottenburg, Rehberge, Friedrichshain und Hasenheide lag die Anzahl der gefangenen Falter allerdings deutlich über dem Mittelwert.
Woran erkennt man die Raupen des Eichenprozessionsspinners?
Die Raupen schlüpfen je nach Witterung im April oder Mai und schließen sich zur Nahrungssuche wie in einem Umzug, der namensgebenden Prozession, zusammen. Mit bis zu 30 Tieren bilden sie Prozessionen mit einer Länge von bis zu zehn Metern. Gemeinsam wandern sie abends den Stamm der Eiche entlang zur Baumkrone, um sich dort von ihren Blättern und Knospen zu ernähren. In insgesamt sechs Stadien entwickeln sich die Raupen zum Falter. Sie sind bereits zu Anfang stark behaart: zunächst orange-braun mit dunklen Haaren, später gräulich-schwarz mit hellgrauen Haaren. Die mit Widerhaken versehenen Brennhaare, die mit dem Nesselgift Thaumetopein benetzt sind, bildet die Raupe ab dem dritten Larvenstadium aus. Dieses Gift stellt eine ernste Gefahr für Mensch und Tier da. Mitte bis Ende Juni verpuppen sich die Raupen, die mit Ende des sechsten Larvenstadiums eine Körpergröße von circa vier Zentimetern erreicht haben. Sie spinnen sich in Kokons ein, die zusammen sehr große Nester bilden. Drei bis fünf Wochen später schlüpfen die Falter und schwärmen vom Juli teils bis in den September.
Je nach Stärke des Befalls hinterlassen die Raupen deutliche Fraßspuren und ihre riesigen Nester erinnern noch lange Zeit an den Befall. Für Bäume ist der Kahlfraß eine große Belastung. Ist ein Baum dieser Belastung mehrere Jahre hintereinander ausgesetzt, kann er sich nur schwer erholen, was im schlimmsten Fall das Absterben des Baumes zur Folge hat.
Was macht die Raupe für den Menschen so gefährlich?
Der Falter selbst ist völlig harmlos. Die Gifthaare der Raupen stellen aber ganzjährig, insbesondere im Mai und Juni, wenn die Raupen das dritte Larvenstadium erreicht haben, eine Gefahr für Mensch und Tier dar. Die Brennhaare enthalten das Eiweiß Thaumetopoein. Die circa 0,2 Millimeter langen Härchen brechen leicht ab, dringen in die Haut und Schleimhäute ein und setzen sich dort mit ihren Widerhaken fest.
Besonders gefährlich ist der direkte Kontakt mit den Raupen, die ausgewachsen über 700.000 Härchen besitzen. Diese Härchen sind auch noch im Winter eine Gefahr, da sie sich mit dem Wind weit verbreiten. Sie bleiben an Schuhen und Kleidung haften und lösen so immer wieder toxische Reaktionen aus. Ihr Gift ist mehrere Jahre aktiv, die gesundheitlichen Beschwerden, die sie verursachen, können daher zu jeder Jahreszeit auftreten. Die Nester und zurückbleibenden Verpuppungsgespinste stellen ebenfalls eine große Gefahr dar. Die Wirkung des Giftes ist so groß und nachhaltig, dass selbst Brennholz einer befallenen Eiche eine toxische Reaktion auslösen kann.
Gesundheitliche Risiken
Die von den Brennhaaren verursachten allergischen Hautreaktionen bezeichnen Mediziner als Raupendermatitis. Betroffen sind meist unbedeckte Hautpartien wie Gesicht, Nacken oder nackte Arme und Beine. Der Kontakt mit den Brennhaaren bzw. mit dem Protein Thaumetopoein verursacht mechanische und pseudoallergische Hautreizung sowie eine toxisch-irritative Dermatitis. Man spricht vom Soforttyp oder der Typ-I-Allergie, der häufigsten Form bei Allergien. Sie zeichnet sich durch eine schnelle Reaktion des Immunsystems auf das Allergen aus. Die Haut reagiert innerhalb von Sekunden oder Minuten mit einem äußerst starken Juckreiz sowie Hautrötungen mit der Bildung von Quaddeln und Bläschen. Möglich ist auch die Bildung insektenstichähnlicher Knötchen beziehungsweise Papeln.
Brennhaare, die eingeatmet wurden, können Reizungen der oberen Atemwege verursachen. Bei einer entsprechende Vorerkrankung lösen die Härchen auch Atemnot aus. Das Verschlucken der Brennhaare führt zu Schleimhautschwellungen und Entzündungen im Rachenraum. Bei Kontakt mit den Augen kommt es zu einer Bindehautentzündung sowie zu stark gerötete Augenlidern. Fieber, allgemeines Unwohlsein bis zu extremen Fällen wie einem anaphylaktischen Schock sind ebenfalls möglich.
Sofortmaßnahmen bei Kontakt mit Brennhärchen
Grundsätzlich muss jeder, der sich unter oder in der Nähe von befallenen Eichen aufhält oder arbeitet, mit dem Auftreten von Gifthaaren rechnen. Wer mit den Härchen in Kontakt in Kontakt gekommen ist, werden folgende Sofortmaßnahmen empfohlen:
- Kleidung möglichst draußen wechseln und bei mindestens 60 Grad waschen
- vorhandene Brennhaar mithilfe von Klebeband von der Kleidung entfernen.
- Gründlich duschen und Haare waschen
- Augen mit Wasser ausspülen
Im Fall einer Hautreaktion sollte der Hausarzt aufgesucht, bei Atembeschwerden der Rettungsdienst alarmiert werden.
Auf Haustiere achten!
Für Hunde stellt der Eichenprozessionsspinner ebenfalls eine Gefahr da. Das Fell schützt ihre Haut, aber beim Schnüffeln geraten Schnauze und Schleimhäute in Kontakt mit den Brennhaaren. Zunge und Lefzen schwellen an und es kann zu Atemnot bei ihrem Vierbeiner kommen. Als Erste-Hilfe-Maßnahme hilft das Spülen mit klarem Wasser und Kühlung. Bei starker Beeinträchtigung sollte umgehend der Tierarzt aufgesucht werden.
Was tun, wenn Eichen im eigenen Garten befallen sind?
Die Städte und Gemeinden sind sich der Gefahr, die von den Raupen des Eichenprozessspinners ausgeht, bewusst. Die natürlichen Feinde sind der Massenvermehrung, die seit den Neunzigern in Deutschland zu verzeichnen sind, nicht mehr gewachsen. Es braucht weitere Maßnahmen, um den Befall der Eichen in Parkanlagen, Alleen, Parkplätzen oder entlang von Waldrändern einzuschränken und die Raupen wirksam zu bekämpfen.
Wer einen Befall an Eichen auf seinem eigenen Grundstück feststellt, sollte die Nester auf gar keinen Fall berühren oder versuchen, sie selbst zu entfernen. Es gibt ausgebildete Fachbetriebe, die über Erfahrung in der fachgerechten Beseitigung der Nester verfügen. Das Pflanzenschutzamt der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Berlin beispielsweise bietet auf ihren Seiten eine Liste einiger Fachbetriebe an, an die sich private Grundstücksbesitzer wenden können.
Befall melden
Nicht alle Nester stellen automatisch eine Bedrohung für Umwelt und Gesundheit dar. Wer unterwegs in belebten Parks und Grünanlagen oder Wäldern Nester entdeckt, sollte diese dennoch sicherheitshalber dem zuständigen Gesundheits- oder Gartenamt oder im Wald den Forstämtern melden.
Eine Übersicht der für die Berliner Bezirke zuständigen
gibt es beispielsweise auf den Seiten von berlin.de, dem offiziellen Hauptstadtportal.
Fachgerechte Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners
Der vermehrte Befall von Eichen durch den Eichenprozessionsspinner stellt nicht nur ein forstwirtschaftliches und gartenbauliches Problem dar. Die starke Ausbreitung insbesondere in belebten Park, Grünanlagen oder Spielplätzen stellt mittlerweile auch ein hohes Gesundheitsrisiko für Menschen da. Die Beurteilung, ob und welche Maßnahmen auf öffentlichen Flächen in Berlin notwendig sind, liegt vorrangig bei den Naturschutz- und Grünflächenämtern der Bezirke und den Berliner Forsten.
Auf privaten Grundstücken sind die Eigentümer verpflichtet, den Raupenbefall auf eigene Kosten fachgerecht bekämpfen zu lassen, wenn der Befall eine gesundheitliche Gefährdung für Menschen, beispielsweise für Nachbarn oder Passanten, darstellt.
Ein geringer Befall an gesunden Bäumen muss nicht zwingend bekämpft werden, solange sie keine Gesundheitsgefahr für Menschen darstellen. Eichen besitzen ein hohes Regenerationsvermögen und erholen sich bei einem einmaligen Kahlfraß von selbst. Ist ein Baum mehrere Jahre hintereinander befallen, schwächt das seine Vitalität. Geschwächt kann er sich aus eigener Kraft nicht mehr selbst gegen weitere Feinde wie Mehltaupilzen oder Eichenprachtkäfern wehren. Ohne entsprechende Maßnahmen zur Beseitigung der Raupenpopulation stirbt der Baum ab.
Maßnahmen zur Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners
In Waldgebieten reicht es meist, in den betroffenen Gebieten Warnschilder aufzustellen oder diese vorübergehend abzusperren. Sind Maßnahmen aus zum Schutz von Mensch und Natur erforderlich kommen mechanische, biologische oder chemische Mittel zum Einsatz.
In einem ersten Schritt stehen zur Bekämpfung mechanische Maßnahmen wie das Absaugen der Nester zur Verfügung. Aus Gründen des Gesundheits- und Arbeitsschutzes sollte diese Maßnahme ausschließlich ausgebildeten und qualifizierten Unternehmen der Schädlingsbekämpfung bzw. des Garten- und Landschaftsbaus überlassen werden. Um die Nester fachgerecht zu entfernen, gelangen die Spezialisten mithilfe der Seilklettertechnik oder mit Hebebühnen in die Baumkronen. Die Nester werden häufig mit einem Lack besprüht, der verhindert, dass sich die Härchen beim Entfernen in der Luft verteilen. Diese Arbeiten sind aufwendig und mit gesundheitlichen Risiken verbunden. Privatpersonen sollten auf keinen Fall selbst Hand anlegen.
Erweisen sich die mechanische Methoden als unzureichend, können biologische oder chemische Bekämpfungsmaßnahmen in Erwägung gezogen werden. Dazu stehen unterschiedlichen Pflanzenschutzmittel und Biozide zur Verfügung. Die Notwendigkeit sollte sorgfältig abgewogen werden, da ihr Einsatz nicht überall erlaubt ist und sie immer eine Belastung für Pflanzen und Gewässer darstellen. Sie töten nicht nur Schadinsekten, sondern können auch andere Tierarten schädigen. Ihr Einsatz sollte daher auf das notwendige Mindestmaß beschränkt werden. Wird zum Schutz der Bevölkerung und des Baumbestandes dennoch auf Pflanzenschutzmittel zurückgegriffen, sollten biologische Schädlingsbekämpfungsmittel bevorzugt werden. Diese enthalten einen Wirkstoff, den die Raupen mit der Nahrung aufnehmen, ihre Darmwand zerstört und so zu ihrem Tod führt.
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